„Jeder einzelne Azubi ist für seinen Betrieb ein kostbares Gut“

Florian Kaiser, Leiter Referat Bildungsberatung und Bildungsprojekte, IHK für München und Oberbayern im Interview

Florian Kaiser ist Leiter des Referats für Bildungsberatung und Bildungsprojekte der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern.

Florian Kaiser ist Leiter des Referats für Bildungsberatung und Bildungsprojekte der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern.

Wie nachhaltig hat Corona den Ausbildungsmarkt verändert?

Die Coronapandemie hat in der Berufsausbildung wie in vielen anderen Lebensbereichen manches auf den Kopf gestellt, aber letztendlich läuft die berufliche Ausbildung in den IHK-Ausbildungsbetrieben nach Plan. Schon im ersten Lockdown im März 2020 haben sich die Ausbildungsbetriebe auf die neue Situation eingestellt. Sie haben Konzepte entwickelt, wie sie ihren Azubis unter Beachtung der vorgeschriebenen Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen die vorgeschriebenen Lehrinhalte praxisgerecht vermitteln können.

Hat die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe aufgrund der Corona-Krise nachgelassen?

Jeder einzelne Azubi ist für seinen Betrieb ein kostbares Gut, denn er ist die dringend benötigte Fachkraft von morgen. Deshalb hat die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe auch unter Corona-Bedingungen nicht nachgelassen. Doch allein 2021 blieben in München und Umland über 2.000 Ausbildungsplätze unbesetzt, weil die Bewerber fehlten. Welche Gründe sind dafür verantwortlich, dass doch so viele Ausbildungsplätze unbesetzt sind? Neben den sinkenden Schulabgängerzahlen ist auch ein Grund dafür, dass durch Corona die Angebote in der Berufsorientierung für Schüler sehr eingeschränkt werden mussten. Aufgrund der Vorschriften gab es keine Ausbildungsmessen. Berufsinfoabende oder die wichtigen Praktikumsmöglichkeiten waren und sind rar gesät. Digitale Angebote konnten die Vor-Ort-Veranstaltungen nicht ersetzen. Es bleibt dennoch dabei: Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in der Tasche haben junge Erwachsene auch künftig ausgezeichnete berufliche Aussichten. Die Auswahl an Ausbildungsplätzen wird 2022 groß bleiben. Wer jetzt die Initiative ergreift und Kontakt zu den Betrieben aufnimmt, um seine Bewerbungsmöglichkeiten auszuloten, hat eine große Auswahl und beste Chancen, den für ihn passenden Platz und Betrieb zu finden.

Wie verändert die Digitalisierung den Ausbildungsmarkt?

In vielen Berufen, vor allem in den kaufmännischen, hat coronabedingt auch in der Ausbildung das Home Office Einzug gehalten. Im Berufsbildungsgesetz ist allerdings der Ausbildungsbetrieb als Ausbildungsstätte definiert, deshalb wird Homeoffice oder mobiles Ausbilden ohne Anwesenheit einer Ausbilderin oder eines Ausbilders nicht zur Dauerlösung werden. Wichtig ist, auch im Homeoffice sind Azubis auszubilden und anzuleiten. Ausbilder müssen ihnen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und regelmäßig Kontakt halten, zum Beispiel über Videokonferenzen. Vor allem geht es darum, die Ausbildungsfortschritte im Blick zu behalten, Erlerntes zu vertiefen oder auch einfache Nachfragen zu klären.

Was erwarten Sie für die Zukunft in Bezug auf die Digitalisierung und das Thema Ausbildung?

Eine Ausbildung in ausschließlich digitaler Form wird und kann es in absehbarer Zeit nicht geben. Aber sicher werden die digitalen Anteile, sowohl bei den Inhalten als auch bei den Lerninstrumenten, eine größere Rolle spielen. Eine Ausbildung zu absolvieren, bedeutet ja mehr, als nur Fachwissen zu erlangen, um dann eine Prüfung zu bestehen. Mindestens genauso wichtig sind die vielen praktischen Fertigkeiten und auch die Soft Skills, die während einer Ausbildung vermittelt werden. Viele Ausbildungsberufe, etwa mit Kundenkontakt oder in der Produktion, lassen sich ohnehin nicht vollständig digitalisieren. Sicher ist jedoch, dass sich unsere Ausbildungsbetriebe auf eine zunehmende Digitalisierung der Ausbildung einlassen und die darin steckenden Chancen auch für sich erschließen müssen.

 
 
 
 
 

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