Was hat Corona verändert?
Der Fachkräftemangel war in vielen Bereichen schon vor Corona spürbar. Hat die Pandemie den Mangel in Ihrer Branche verschärft oder sorgt die Krise hier für eine „Verschnaufpause“? Und was bedeutet das konkret für die Betriebe, aber auch für Auszubildende?
"Schnell Verantwortung übernehmen dürfen"
Oliver Nothdurft, Jugendbildungsreferent IG BAU, Region Bayern: Auf dem Bau und in den Baubetrieben war von Corona nicht viel zu spüren. Das Bauvolumen ist letztes Jahr um gut 5% gewachsen und die Auftragslage ist weiterhin gut. Das heißt aber auch, dass der Fachkräftemangel nach wie vor groß ist und der Bedarf an gut ausgebildeten Handwerker*innen steigt. Natürlich bedeutet das viel Arbeit für unsere Kolleg*innen, aber das ist gleichzeitig eine gute Grundlage für angemessene Gehalterhöhungen!
Für Auszubildende sind das gute Aussichten, denn sowohl die Übernahme, als auch die Aufstiegsmöglichkeiten sind sehr gut. Vor allem bedeutet das aber, dass Auszubildende schnell Verantwortung übernehmen dürfen und mit anpacken können!
"Ein Stück weit in den Hintergrund getreten"
Andreas Brachem, Kfz-Innung München-Oberbayern: Während der Corona-Krise waren die Kfz-Werkstätten als systemrelevante Dienstleister durchgehende geöffnet, um die erforderliche individuelle Mobilität der Gesellschaft weiter sicherzustellen. Von daher kann man nicht von einer „Verschnaufpause“ sprechen, vielmehr hat das Krisenmanagement enorm viele Ressourcen absorbiert, so dass strategische Personalplanung und -Entwicklung sicher ein Stück weit in den Hintergrund treten mussten.
"Unsere Betriebe suchen händeringend Auszubildende"
Ralf Suhre, SHK Innung München: Weder noch. Unsere Betriebe sind bereits vor der Corona-Pandemie mit der Situation konfrontiert gewesen, dass sie ihre offenen Ausbildungsplätze für die Ausbildungsberufe Anlagenmechaniker SHK, Spengler sowie Ofen- und Luftheizungsbauer nicht besetzen können. Der Fachkräftemangel ist in unserer Branche längst angekommen gewesen und welche Auswirkung dies bereits jetzt schon hat, spürt jeder, der einen Fachmann braucht, um seine Heizung sanieren oder sich ein neues Bad einbauen zu lassen. Unsere Betriebe suchen händeringend Auszubildende, die die schulischen Voraussetzungen mitbringen, unsere anspruchsvollen 3,5-jährigen Ausbildungsberufe zu erlernen.
"Man sieht, was man geschaffen hat"
Christina Breunig, Leiterin des Bildungszentrums für Farbtechnik und Raumgestaltung: Corona ist ein brennendes Thema. Fachkräfte fehlen zunehmend, auch in unserer Branche, also im Handwerk. Viele Betriebe sind heutzutage bereit, sehr guten Auszubildenden Sonderleistungen anzubieten, z.B. eine MVV Monatskarte oder ein Firmenfahrzeug. Entgegen der Tatsache, dass die Kleidung nicht immer ganz sauber bleibt, sieht man zu jedem Feierabend, was man geschaffen bzw. geschafft hat. Und das ist doch das was zählt, denn junge Menschen suchen heutzutage eine sinnstiftende Arbeit. Das Handwerk ist dafür prädestiniert. Die Krise hat gezeigt, dass es noch mehr Aufträge in unserer Branche gibt: gerade zur Coronazeit durften Maler und Lackiererinnen das private / berufliche Umfeld vieler Menschen verschönern. Ich sehe Maler und Lackierer vielmehr als „Interior-Designer“ und bin selbst ganz begeistert davon wie vielseitig und kreativ der Beruf sein kann, während unsere Schilder- und Lichtreklamehersteller z.B. Außenfassaden gestalten. Fahrzeuglackierer sind von Haus aus gefragt, Autos auf Vordermann zu bringen. Alle junge Menschen, die in unseren Berufen tätig werden wollen, werden fündig.